Angstverhalten bei Hunden


Das Thema Angst ist sehr wichtig in der Hundeerziehung. 
Oftmals wird die Angst aber falsch interpretiert, bzw. ihre Bedeutung über- oder unterschätzt.
In diesen und den folgenden Hunde-Gedanken möchte ich deshalb auf dieses Thema eingehen.
Zur Beurteilung, ob ein Hund Angst hat oder nicht, müssen viele verschiedene Faktoren berücksichtigt werden.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist es meines Erachtens auch eine Differenzierung vorzunehmen:
Ist der Hund eher vorsichtig oder eher unsicher?
Die Beantwortung dieser Frage hat Auswirkungen auf das Training mit dem Hund.

Was ist nun Angst?
Angst ist ein Grundgefühl (wie Freude, Wut, Ekel, Furcht, Verachtung, Traurigkeit, Überraschung), welches sich in als bedrohlich empfundenen Situationen als Besorgnis und unlustbetonte Erregung äußert.
Auslöser können dabei erwartete Bedrohungen (etwa der körperlichen Unversehrtheit) sein.
Angst ist auch eine Emotion. Emotionen haben vorwiegend mit der Reaktion des Organismus auf externe Reize zu tun. Sie sind der Ausdruck von Bewertungen angetroffener Sachverhalte.
Die Klassifizierung erfolgt im Limbischen System (ein entwicklungsgeschichtlich alter Gehirnteil).
Emotionen werden dargestellt über das Ausdrucksverhalten, welches ein „Multi-Kanal-System“ ist.
Es ist aus folgenden Elementen zusammengesetzt:
         dem visuelle System
         den Lautäußerungen
         dem olfaktorischen System (Geruchsinn)
         dem taktilen System (Berührungsreize)
         dem Geschmacksreiz
Da Menschen und Hunde Emotionen über dieses „Multi-Kanal-System“ darstellen, kann Angst stimmungsübertragend wirken.

Wann entsteht Angst?
Angst entsteht schon während der sensiblen, prägungsähnlichen Phase der Welpenentwicklung.
Ab der 5. Lebenswoche bildet sich im Gehirn ein Muster, mit dem später stets verglichen wird.
Bis zur Vollendung der 8. Lebenswoche führt dieses Muster im Gehirn bereits zu bevorzugten Reaktionen bei der Konfrontation mit Reizen (welche Reaktionen das sein können, darauf möchte ich später ausführlich eingehen).
Bekanntes lässt sorglos sein, Unbekanntes wird mit Unbehagen betrachtet, was sich zu Angst, Furcht und Phobie entwickeln kann (auch auf diese Begriffe komme ich später noch einmal zurück).
In dieser Phase der Welpenentwicklung spielen der Züchter und die Mutterhündin eine wichtige Rolle.
Wozu dient Angst?
Angst ist der wichtigste angeborene Schutzmechanismus und ist ein elementares, überlebensnotwendiges Gefühl aller höheren Lebewesen.
Angst ist ein die Sinne schärfender Schutzmechanismus, quasi eine sehr fein eingestellte Alarmanlage.
Diese Feinjustierung kann aber auch zu Fehlalarmen führen.
Angst ist angeboren und instinktiv. 
Ohne Angst wären Hunde (und auch wir Menschen) nicht lebensfähig).

Hunde haben viele Möglichkeiten ihre Angst auszudrücken. 
Im Anschluss folgen hier ein paar Beispiele:
Sich ducken, die Rute senken oder einklemmen, den Blick abwenden, zittern, hecheln, 
speicheln, hysterisch bellen, Harn- oder Kotabsatz, verstecken hinter „ihren“ Herrchen oder Frauchen (das kann bis zu Leerschnappen und/oder kurzem Zubiss führen), erhöhte Pulsfrequenz, Atemnot, etc.

Bitte machen sie jetzt nicht den Fehler z. B. zu denken „Oh, mein Hund speichelt. Jetzt hat er Angst.“
Die oben angeführten möglichen Ausdrücke von Angst sind immer im Zusammenhang mit der Gesamtsituation zu betrachten. 
Hier ist nicht nur das momentan gezeigte Verhalten wichtig, sondern auch das Verhalten vor und nach der Angstsituation (möglicherweise sogar 20 Minuten vor- und nachher). 
Es sind auch immer die äußeren Umstände mit einzubeziehen

Ich möchte nun auf den Begriff Angst etwas näher eingehen und ein paar Zitate zur Definition von Angst anführen.
„Angst gehört zur Gruppe der phylogenetisch alten Lebensschutzinstinkte. Wir sprechen von Angst, wenn das Objekt des Unbehagens nicht bewusst ist oder wenn keine Möglichkeit besteht, die Gefahr abzuwenden. …“ (nach Seidel, Schulz & Göllnitz 1980)

„Angst kennzeichnet also einen Zustand, der durch verfügbare Verhaltensprogramme nicht beseitigt werden kann, sei es durch mangelnde Reizidentifikation, sei es durch fehlende Verhaltensprogramme. …“ (nach Tembrock und Dathe 1978)

Angst ist eine angeborene innere sowie äußere Stressreaktion des Körpers auf Bedrohung.
Um Angst zu empfinden müssen nicht erst negative Erfahrungen gemacht werden.
Angst bewirkt ein Meideverhalten.

Der Unterschied zwischen Furcht und Phobie.
Wenn man von Furcht spricht, dann sind mehrere Kriterien zu beachten:
Furcht ist nicht angeboren, sondern wird gelernt. 
Furcht tritt in einer zuvor als negativ erlebten Situation auf.
Furcht ist immer durch Erfahrungen bedingt.
Furcht ist eine emotionale Reaktion auf ein anderes Lebewesen, ein Objekt oder eine bedrohliche Situation.
Gefahrenmomente werden vom Hund erkannt und Wege zur Abwehr gesucht. Der Furcht liegt die Motivation für Flucht- und anderes Schutzverhalten zugrunde. Mit arteigenen Reizschwellen und Verhaltensprogrammen.
Wenn die Angstreaktion oder die Furchtreaktion extrem verstärkt und sehr schnell auftritt, dann spricht man von einer Phobie („all or nothing“). Es ist nicht mehr möglich, dass sich der Hund an das Unbekannte gewöhnt.
Phobie ist auch, wenn Angst oder Furcht vor Objekten, Lebewesen oder Situationen auftritt, obwohl von diesen keine Gefahr ausgeht und dieser Umstand auch bekannt ist. Die Phobie ist die höchste Stufe der nervösen Unbehaglichkeit. Phobie ist somit zu bezeichnen als die Angst vor der Angst.
Furcht ist lebensnotwendig, Angst kann krank machen!

Die Reaktion des Hundes bei der Konfrontation mit unbekannten Reizen.
Es gibt zwei Modelle für die Reaktionen. Zum einen „The 4 F’s“ und zum anderen „FEÜDA“.
„The 4 F’s“ sind: Fight (Kampf), Flight (Flucht), Freeze (einfrieren), Flirt (herumkaspern).
„FEÜDA“ bedeutet: Flüchten, Erstarren, Übersprungshandlung, Drohen, Angreifen.
Meiner Meinung nach kann auch die Unterwerfung mit zu den Reaktionen gezählt werden.
Die Verhaltensweise, die den größten Erfolg verspricht, wird ausgeführt.
Welche Reaktion in einer Angstsituation gezeigt wird, hängt ganz davon ab, welche angeborenen Komponenten und welche Erfahrungen der Hund bereits hat.
 Ganz wichtig bei Angstreaktionen sind auch die Erbanlagen eines jeden Hundes. Zum Beispiel können Hütehunde eher eine Geräuschphobie entwickeln als andere Rassen und Terrier  reagieren in derselben Situation dagegen eher überaggressiv. Wie gesagt, das sind nur Beispiele.
Der Mangel an Erfahrungen, schlechte Erfahrungen oder die Kombination aus beidem gibt die Reaktion in Konfliktsituationen vor.
Eine wichtige Rolle bei der Angstreaktion spielen auch Erkrankungen. 
Sie können der Grund für eine Angstreaktion sein, die der Hund im gesunden Zustand nicht zeigen würde. Solche Erkrankungen können z.B. sein: Erkrankung des Nervensystems, hormonelle Störungen (Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse), Schmerzen jeglicher Art, Seh- und/oder Hörstörungen, Gehirntumor, etc.
Erkrankungen können somit Ängste bestimmen und natürlich auch verstärken.

Ich habe versucht, in kurzen Worten der Angst auf den Grund zu gehen.
Es wurde erläutert, was Angst ist, wie und wann sie entsteht  und wozu die Angst dient.
Sie ist der wichtigste angeborene Schutzmechanismus und lebensnotwendig.
Weiter wurden die vielen Ausdrucksmöglichkeiten der Hunde ihre Angst auszudrücken beispielhaft erläutert.
Ein wichtiger Teil war die Unterscheidung von Angst, Furcht und Phobie. Diese Unterscheidung ist wichtig, denn nur allzu oft  werden diese Begriffe in einen Topf geworfen und alles der Angst zugeordnet.
Hier bestehen jedoch große Unterschiede. Angst ist eine angeborene innere sowie äußere Reaktion des Körpers auf Bedrohung. Furcht ist nicht angeboren, sonder wird erlernt. Die Phobie letztendlich ist die höchste Stufe der nervösen Unbehaglichkeit (die Angst vor der Angst).
Die Rektion bei der Konfrontation mit unbekannten Reizen war ein weiterer Teil der Angst-Reihe. 
Es gibt 2 Modelle für die Reaktionen. Zum einen „The 4 F’s“ und „FEÜDA“. Die Verhaltensweise, die den größten Erfolg verspricht wird ausgeführt. Auch Erkrankungen spielen bei der Angstreaktion eine wichtige Rolle.
Angst ist bei jedem Tier individuell ausgeprägt und kann ganz unterschiedliche Erscheinungsbilder haben und deshalb ist die Arbeit mit Angstproblemen beim Hund ein schwieriges und oft auch langwieriges Aufgabenfeld.
Ich hoffe, dass ich Ihnen einen kleinen Einblick in die Angst bei Hunden geben konnte.

Jens Eikelmann
Hundeschule Fränkische Schweiz